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Katrin Eder: „Vogelzählungen liefern wissenschaftliche Datenbasis für effektiven Naturschutz“

Alle sechs Jahre müssen die Mitgliedsstaaten in ihren Vogelschutzgebieten Vögel zählen und die Ergebnisse an die EU melden, so auch Rheinland-Pfalz. Diese Daten geben Aufschluss darüber, wie es den Vögeln geht, ob Schutzmaßnahmen greifen und wie sich verschiedene äußere Einflüsse, inklusive des Klimawandels, auf die Arten auswirken. Damit die Daten vergleichbar sind, braucht es einheitliche Methoden. Klimaschutzministerin Katrin Eder informierte sich über das neue Konzept der Vogelschutzwarte, das unter anderem im Vogelschutzgebiet Rußheimer Altrhein erprobt und ab 2027 flächendeckend angewandt wird.
Umweltministerin Katrin Eder am Rußheimer Altrhein
Umweltministerin Katrin Eder am Rußheimer Altrhein
Blaukehlchen
Blaukehlchen

„Wenn die Stimmen der Vögel verstummen, dann verändert sich mehr als nur der Klang unserer Landschaft. Vor allem Brutvögel geben Auskunft darüber, wie es um den Zustand unserer Natur bestellt ist, da sie auf Veränderungen reagieren und meist in der Mitte der Nahrungskette stehen. So kann man Rückschlüsse ziehen, dass es etwa weniger Insekten gibt, wenn weniger Insekten fressende Vögel vorhanden sind. Was auf den ersten Blick nichts mit uns zu tun hat, wirkt sich oft dennoch auf die Menschen aus. Weniger Insekten bedeutet etwa nicht nur weniger Vogelnahrung, sondern auch weniger Bestäubungsleistung. Und wenn es etwa weniger Eichelhäher gibt, bedeutet dies einen weniger schnellen Waldumbau, da der Vogel viele der Samen vergisst, die er als Vorrat versteckt hat – und aus diesen dann neue Bäume wachsen. In der Natur gibt es viele komplexe Zusammenhänge. Um diese zu verstehen, brauchen wir verlässliche Daten. Deshalb ist für einen erfolgreichen Artenschutz eine fachlich fundierte Datengrundlage so wichtig. So können wir gezielt Schutzmaßnahmen ergreifen“, so Klimaschutzministern Katrin Eder am heutigen Mittwoch bei der Vorstellung eines neuen Konzeptes zum Vogelmonitoring in Rheinland-Pfalz.
 
Dieses schafft ein landesweit einheitliches System zur Überwachung der Zielarten in den Vogelschutzgebieten; Zielarten sind solche Arten, zu deren Schutz ein Gebiet als Vogelschutzgebiet ausgewiesen wurde. 

Vogelschutzgebiete decken zwölf Prozent der Landesoberfläche ab

„Schon vor über 30 Jahren wurde mit der europäischen Vogelschutzrichtlinie und der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie ein gemeinsames Ziel formuliert: den Rückgang der biologischen Vielfalt in Europa zu stoppen. In Rheinland-Pfalz leisten wir hierzu einen wichtigen Beitrag: Mit 57 Vogelschutzgebieten – das sind rund zwölf Prozent der Landesfläche – und stolzen 361 nachgewiesenen europäischen Vogelarten. Doch die Ausweisung von Schutzgebieten allein reicht nicht aus. Darüber hinaus brauchen wir Pflege- und Entwicklungsmaßnahmen auf unseren Flächen, Kooperationen mit Landwirtschaft, Kommunen und anderen Flächennutzenden – und auch Monitoring und Erfolgskontrollen, um Veränderungen frühzeitig zu erkennen und gegenzusteuern. So können wir Schutzmaßnahmen gezielter steuern – auf Landesebene, aber auch international“, so Klimaschutzministerin Eder.  Die Daten werden über den Bund auch an die EU übermittelt, um international den Schutz der Vögel, vor allem von Zugvögeln, zu stärken.
 
Vogelkundler tragen Beobachtungen und Gesang in Karten ein

Was genau beim Vogelmonitoring passiert, erklärte Dr. Christian Dietzen von der Staatlichen Vogelschutzwarte Rheinland-Pfalz, die am Landesamt für Umwelt (LfU) angesiedelt ist: „Wir erfassen beim Monitoring Brut- und Rastvögel. Dazu haben wir unterschiedliche Methoden, eine davon ist die Revierkartierung, die insbesondere für die Erfassung der Gesamtbestände zum Einsatz kommt. Die Ornithologen suchen die verschiedenen Lebensräume, wie Gewässer und Uferzonen, Wiesen und Felder sowie Wälder, innerhalb des Vogelschutzgebiets auf und markieren auf Karten, welche Art sie wo entweder gesehen oder gehört haben. Das alles erfolgt bei gutem Wetter, denn Regen und Wind stören die Erfassung und während der jeweiligen Balzzeit der einzelnen Vogelarten. Man muss vorher also wissen, wann die Arten besonders aktiv und gut zu erfassen sind, das heißt wann sie bevorzugt singen oder wann Zugvögel aus ihren Winterquartieren zurückkommen.“
 
Nachdem das Land Rheinland-Pfalz vor rund 2,5 Jahren eine eigene Staatliche Vogelschutzwarte etabliert hat, konnte diese ein Konzept für die Bestandserfassung der Vogelarten in den Vogelschutzgebieten erstellen. So können erstmals die Bestände detailliert erfasst werden, wodurch sich die Datenqualität der Ergebnisse, die alle sechs Jahre an das Bundesamt für Naturschutz (BfN) gemeldet werden müssen, zukünftig stark verbessern wird. Bisher beruhten die Ergebnisse zum großen Teil auf Schätzungen. Die nächste Meldung steht für das Jahr 2031 an. Deshalb wird das neue Konzept nun im Vogelschutzgebiet „Rußheimer Altrhein“ und weiteren neun Vogelschutzgebieten erprobt und ggf. angepasst, um dann ab 2027 in allen rheinland-pfälzischen Vogelschutzgebieten angewandt zu werden. 

Alle Daten geben Aufschluss darüber, wie sich die Bestände entwickeln, also ob eher mehr oder eher weniger Paare oder Individuen einer bestimmten Art in den Vogelschutzgebieten vorkommen. Oder auch, ob sich eine Art in einem Gebiet neu ansiedelt, wenn sich etwa Flugrouten oder Lebensräume so verändert haben, dass die Art hier nun Brutraum und Nahrung finden kann. Die Daten zur Verteilung der Arten im Gebiet liefern daher auch Informationen für Entscheidungen, wo Bauvorhaben umgesetzt werden können. Zudem lassen sich Rückschlüsse über die Auswirkungen des Klimawandels auf die Artenvielfalt ziehen: „Interessant werden beispielsweise die Daten von Wasservögeln; denn fallen Gewässer klimawandelbedingt trocken, fehlt ihnen ihr Lebensraum sowie ihre Nahrung“, so Dietzen.

„Schutz beginnt mit Wissen. Nur was wir genau kennen, können wir auch effektiv schützen. Das Fachkonzept ist kein Papierwerk, das in der Schublade verstauben soll. Es ist eine strategischer Plan und gleichzeitig ein wichtiges Werkzeug für die Zukunft des Vogelmonitorings in unseren Natura 2000 Gebieten. Ich bin überzeugt, dass wir mit einem konsequenten Schutz, guter Datenlage und einem funktionierenden Miteinander von Behörden, Ehrenamt, Flächennutzern und Wissenschaft positive Entwicklungen anstoßen werden“, so Katrin Eder.

Beispiele für Zielarten

Arten besetzen unterschiedliche ökologische Nischen: Schutzmaßnahmen müssen daher gezielt wirken

Am Altrhein gehört zu den Zielarten etwa das seltene Blaukehlchen. Um dieses zu schützen, sollten Gräben in der offenen Landschaft möglichst mit Schilf bewachsen sein. Dort kann es seinen Gesang vortragen, um einen Brutpartner anzulocken, findet Deckung vor Feinden und kann am Boden und offenen Flächen in den Randbereichen Nahrung suchen, wie Würmer, Insekten und deren Larven. Renaturierungsmaßnahmen und Schaffung eines abwechslungsreichen Lebensraummosaiks, inklusive Wiederherstellung und Sicherung natürlicher Grundwasserstände sind wichtige Erhaltungsmaßnahmen.
 
Eine weitere Zielart ist der Drosselrohrsänger. Drei bis fünf Brutpaare sind im Datenblatt vermerkt. Ihm zu begegnen ist daher nicht leicht, ihn zu hören schon: Denn er singt besonders laut. Er benötigt ausgedehnte (Alt-)Schilfbestände, die im Wasser stehen. 
Wird also der Uferbewuchs entfernt oder fallen Gewässer trocken, trifft man sowohl das Blaukehlchen als auch den Drosselrohrsänger nicht mehr an. 

Des Weiteren lebt der Mittelspecht im Vogelschutzgebiet am Rußheimer Altrhein. Damit er brüten kann, braucht er Bäume mit grober Rinde, wie beispielsweise Eichen, sowie Alt- und Totholz, das heißt abgestorbene Bäume, die noch nicht am Boden liegen. In diese hämmert er seine Bruthöhle. Um ihn zu schützen, ist also darauf zu achten, dass es alte Laub- und Mischwälder gibt, in denen nicht alles Totholz entfernt wird, da dieses für alle Spechtarten das Nahrungsangebot verbessert. Davon profitieren weitere Arten. Nachdem der Mittelspecht seine Höhle verlassen hat, ziehen dort Siebenschläfer, Fledermäuse oder andere Vogelarten ein. 
Die beiden Schilf bewohnenden Arten leiden unter Lebensraumverlust durch Wassermangel. Dies ist sowohl eine Folge der Bewässerung bei intensiver Landwirtschaft als auch von Dürren wegen des Klimawandels. Ein weiterer Faktor ist die Lebensraumzerstörung in Folge von Flurbereinigungen und Ausräumung der Landschaft. Dagegen zeigt der wärmeliebende Mittelspecht eine eher positive Bestandsentwicklung, was ebenfalls Klimawandel bedingt sein könnte. Er profitiert jedoch auch von Änderungen der forstlichen Nutzung, wie Extensivierungen und dem Belassen von Alt- und Totholz, zum Schutze der Artenvielfalt. 

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