Nachhaltige Verpflegung beschaffen: Zwei Kita- und Schulträger im Interview
Nachhaltige Beschaffung ist Trägeraufgabe. In Rheinland-Pfalz haben sich schon einzelne Träger von Kitas und Schulen auf den Weg gemacht die Verpflegung in Ihren Einrichtungen Nachhaltig zu beschaffen.
In der VG Betzdorf-Gebhardshain ist Frau Barton zuständig für den Bereich Schulen im Fachbereich „Zentrale Dienste“. Die VG hat sieben Schulen in Trägerschaft, davon drei mit Mittagsverpflegung. Die Kitas sind in Trägerschaft der Stadt bzw. Ortsgemeinden. Die VG wurde vom Fachzentrum Ernährung Rheinland-Pfalz (FZE RP) im Rahmen des Projektes „Pilotregionen Rheinland-Pfalz: gemeinsam nachhaltig und gesundheitsförderlich essen in Kita, Schule und Mensa“, welches das Vorgängerprojekt des Beratungsprogramms „KlimaGesund.Verpflegt“ war, bei der Erstellung der Leistungsverzeichnisse und Formulierung von Vergabeunterlagen betreut.
Bei der VG Montabaur ist Frau Regina Stahlhofen, zuständig für den Bereich Bildung und Schulen. Die VG hat sechs Schulen mit Mittagsverpflegung in eigener Trägerschaft, sie hat am INFORM Projekt 2020/2021 zur Erarbeitung eines Verpflegungskonzepts teilgenommen. In diesem Zuge erfolgte eine Beratung zur Qualität und Vergabe. Mit beiden VGs konnten wir ein Interview führen.
Welchen Stellenwert hat das Thema nachhaltige Ernährung in der Gemeinschaftsverpflegung für Sie als Träger? Welchen Stellenwert hat es für die Einrichtungen in Ihrer VG?
VG Betzdorf-Gebhardshain: Das Thema nachhaltige Ernährung hat – wie auch zunehmend in der gesamten Bevölkerung - einen hohen Stellenwert für die VG Betzdorf-Gebhardshain als Schulträger. Auch in den Kindertageseinrichtungen der Stadt Betzdorf und der Kommunen unserer VG findet das Thema nachhaltige Ernährung eine immer größere Beachtung.
VG Montabaur: Die Nachhaltigkeit hat bei uns einen hohen Stellenwert. Wir möchten einen Beitrag zur Schonung der Ressourcen leisten, weil Umweltschutz uns alle angeht. Deswegen ist die nachhaltige Ernährung auch in unserem Verpflegungskonzept auf Trägerebene verankert.
Bei der Verpflegung sollte der Umweltaspekt, also z.B. die Fragen „Wie arbeitet der Caterer?“, „Welche Verpackungen werden eingesetzt? Und gibt es Einzelschalen?“ schon bei der Beschaffung beachtet werden. Der jetzige Caterer hat bei unserer Ausschreibung bei allen Losen den Zuschlag erhalten. Somit kann der Caterer, der auf die Kita- und Schulverpflegung spezialisiert ist, bei den großen Mengen von ca. 720 Essen pro Tag gut planen und effizient arbeiten. Bei den Einrichtungen ist die Priorität in Bezug auf Nachhaltigkeit unterschiedlich. Hier kommt es auf die Motivation und das Engagement der Schulleitungen und Lehrkräfte an. In einzelnen Schulen wird die Herkunft der Lebensmittel etc. in der Bildung thematisiert. Beim Thema Nachhaltigkeit ist es wichtig, am Ball zu bleiben und zu sensibilisieren. Nicht zuletzt, da auch immer wieder neue Schüler und Schülerinnen die Schule besuchen. Auch im Unterricht sollten die Themen noch stärker besprochen werden.
Allerdings ist auch das Elternhaus gefragt, wenn es darum geht eine optimale Schulverpflegung umzusetzen. In unseren Einrichtungen gibt es mindestens zwei Speisen, zwischen denen gewählt werden kann. Die Entscheidung liegt bei Eltern, Schülern und Schülerinnen.
Der Einsatz von Bio-Lebensmitteln in der Kita- und Schulverpflegung ist ein Beitrag zu einer nachhaltigeren Ernährung der Kinder und Jugendlichen. Bio-Lebensmittel bieten vielfältige Mehrwerte. Was sind die Gründe Ihrer VG für den Einsatz von Bio-Lebensmitteln?
VG Montabaur: Wir möchten die Kinder für mehr Nachhaltigkeit sensibilisieren und mit dem Angebot in unseren Mensen zur nachhaltigen Ernährung der Kinder beitragen. Dies bezieht sich auch auf die Saisonalität der eingesetzten Lebensmittel. Der Einsatz von Bio-Lebensmitteln trägt insgesamt zu einer nachhaltigen Speiseplangestaltung bei und beeinflusst auch die Beschaffung des Caterers positiv. Da die Regionalität der eingesetzten Lebensmittel in der Ausschreibung nicht gefordert werden darf, haben wir hier keinen weiteren Einfluss. Wir wissen aber, dass der Caterer einen großen Teil seiner Lebensmittel aus der näheren Region seines Firmensitzes beschafft.
VG Betzdorf-Gebhardshain: Der VG Betzdorf-Gebhardshain ist es wichtig, dass die Ganztagsschüler und Schülerinnen an den Schulen in ihrer Trägerschaft eine gesunde, schmackhafte Mittagsmahlzeit erhalten. Ungesunde Ernährung bei Kindern ist die häufigste Ursache für Erkrankungen und Übergewicht und der Schulträger möchte einen Beitrag leisten, um dem entgegen zu wirken. Bio-Produkte tragen u. E. zu einer gesunden Ernährung bei, da in der Bio-Landwirtschaft u. a. auf chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel verzichtet wird und deutlich weniger Zusatzstoffe erlaubt sind. Auch der Beitrag zum Umweltschutz spielt eine Rolle, da die Produktionsmethoden zur Herstellung von Bio-Lebensmitteln umweltfreundlicher sind.
Wie integrieren Sie das Thema in die Vergabe? Wie hoch ist der Bio-Anteil in den Einrichtungen laut der Ausschreibungen? In welcher Form wird dies umgesetzt?
VG Betzdorf-Gebhardshain: Bei der Vergabe sollte der Einsatz von Produkten aus ökologischer/biologischer Produktion, fair angebauter und gehandelter Lebensmittel sowie von Fisch aus bestandsschonender Fischerei Berücksichtigung finden. Entsprechende Anforderungen an die Auswahl der Lebensmittel und an die Speiseplanung wurden ins Leistungsverzeichnis aufgenommen. Der Anteil an Bio-Lebensmitteln an der Mittagsverpflegung muss mindestens 20 % des monetären Wareneinsatzes bezogen auf den Gesamtwarenwert und bezogen auf die Einrichtung betragen.
VG Montabaur: In unserem Verpflegungskonzept haben wir einen Bio-Anteil von mindestens 30 % des Verpflegungsangebots, gemessen am monetären Warenwert, festgelegt. Dieser Anteil soll im Zeitraum von 20 Verpflegungstagen erreicht werden. Mit Ausnahme von Fleisch und Fisch sollen über alle Warengruppen hinweg Bio-Lebensmittel angeboten werden - vom Getreide über Gemüse und Obst bis hin zu Milch und Milchprodukten. Diese Anforderungen des Verpflegungskonzepts waren die Grundlage für die Ausschreibung. Der Caterer erfüllt diese Vorgaben, in einigen Wochen liegt der Bio-Anteil im Angebot über den 30 %. Wie hoch der Bio-Anteil im Verzehr ist, hängt dann aber davon ab, welche Speisen von Eltern, Schülern und Schülerinnen ausgewählt werden.
Welche Tipps können Sie anderen Trägern geben, die Bio-Lebensmittel in den Einrichtungen in ihrer Zuständigkeit einsetzen möchten?
VG Montabaur: Damit das, was wir uns als Erwachsene, als Politik oder allgemein als Außenstehende vorstellen, auch bei den Kindern ankommt, ist es wichtig, diese mit einzubeziehen. Die Jugendlichen müssen sensibilisiert werden, wie wichtig es ist, gesundes Essen bzw. Bio-Lebensmittel zu sich zu nehmen. Nur so werden die ihnen angebotenen Speisen auch verzehrt. Hier spielt die Ernährungsbildung in Schule und zu Hause eine große Rolle.
VG Betzdorf-Gebhardshain: Wichtig ist, sich umfassend mit dem Thema zu beschäftigen und Informationen über Gesetze, Regelungen, Leitfäden, Praxisbeispiele von Umsetzungsmöglichkeiten einzuholen. Hilfreich war für die VG Betzdorf-Gebhardshain auch die Unterstützung des FZE RLP und die Teilnahme an dem Projekt „Nachhaltig und gesundheitsfördernd essen in Kita, Schule und Mensa“ innerhalb der Pilotregion Westerwald-Taunus.
Die Festlegung solch differenzierter Anforderungen setzt vermutlich einige Vorüberlegungen voraus. Bis ein stimmiges Verpflegungskonzept und die daraus resultierenden Anforderungen an die Verpflegung erarbeitet ist, müssen sicherlich verschiedenste Erwartungen diskutiert und miteinander in Einklang gebracht werden. Die Einbeziehung der Entscheidungsträger auf politischer Ebene spielt mit Sicherheit auch eine Rolle. Welche Schritte sind hierzu notwendig?
VG Montabaur: Innerhalb der Erstellung unseres Verpflegungskonzeptes wurden mehrere runde Tische durchgeführt. Es waren jeweils Schulleitungen, Lehrkräften, Vertreter und Vertreterinnen der Elternschaft, der Schüler und Schülerinnen aber auch der Kommunalpolitik dabei.
Das fertige Konzept wurde dann vom Haupt- und Finanzausschuss der VG Montabaur verabschiedet. Der Einbezug der verschiedenen Gremien ist auf jeden Fall zu empfehlen.
Bio-Anteil bei der Vergabe berücksichtigen:
Innerhalb der Vergabe können die Anforderungen an die Speiseplangestaltung sowie die Qualität der Lebensmittel auf verschiedene Wege integriert werden. Die Formulierung dieser Anforderungen hängt häufig von Wünschen der Einrichtungen und Elternschaft und Umsetzungsmöglichkeiten vor Ort ab. Aber auch das, in der Region vorhandene, Angebot, Abwägungen zum voraussichtlichen Preis und der Finanzierung fließen bei den Überlegungen wie hoch der geforderte Bio-Anteil sein soll bzw. wie genau die Vorgaben für die Erfüllung sein sollen, mit ein.
Damit dann tatsächlich ein gesundheitsförderliches und nachhaltiges Verpflegungsangebot mit Bio-Lebensmitteln auf den Tisch kommt ist zudem noch der Vergabeprozess zu durchlaufen. Auf welche Knackpunkte müssen Träger bei der Vergabe achten?
VG Betzdorf-Gebhardshain: Der Prozess von der Bedarfsermittlung über Markterkundungen, Erstellung eines Leistungsverzeichnisses bis hin zur öffentlichen Ausschreibung ist sowohl inhaltlich als auch zeitlich bearbeitungsintensiv.
VG Montabaur: Es ist wichtig, die gewünschte Leistung möglichst genau zu beschreiben und die Anforderungen klar zu formulieren. Damit Sicherheit besteht, im Rahmen des rechtlich Zulässigen zu handeln, ist es wichtig, sich beraten zu lassen und die Vergabeunterlagen rechtlich prüfen zu lassen - vor allem bei einer europaweiten Ausschreibung.
Mit dem Erteilen des Auftrags an den jeweiligen Anbieter ist der Vergabeprozess beendet und die Umsetzung in den Einrichtungen kann beginnen. Um die Akzeptanz für die Verpflegung bei Kindern und Jugendlichen sicherzustellen und vor allem auch ein den Anforderungen entsprechendes, wohlschmeckendes und bedarfsdeckendes Angebot sicherzustellen, sollten Maßnahmen ergriffen werden.
Wie wird in den Einrichtungen die Qualitätssicherung gewährleistet?
VG Betzdorf-Gebhardshain: Bei der Vergabe wurde geregelt, dass der Auftragnehmer den Einsatz der Bio-Lebensmittel, der fair gehandelten Lebensmittel und den Einsatz des Fisches aus bestandsschonender Fischerei jährlich in Textform – bezogen auf die leistungsgegenständliche Einrichtung – nachzuweisen hat. Dem Nachweis sind die dazugehörigen Belege beizufügen, aus denen sowohl die Bezugsquelle, die Menge als auch das Lebensmittel klar und deutlich für den jeweiligen Abrechnungsmonat erkennbar sind.
VG Montabaur: In unseren Einrichtungen wird bei Bedarf ein runder Tisch durchgeführt. An den weiterführenden Schulen gibt es einen Mensa-Rat, in dem Schüler und Schülerinnen zu Wort kommen und Wünsche und Kritik formulieren können. Dies kann ich weiterempfehlen. Der Einsatz der Bio-Lebensmittel wird vom Caterer transparent dargelegt, indem sie auf den Speiseplänen gekennzeichnet sind.
Welche Tipps können Sie anderen Trägern geben, die Bio-Lebensmittel in den Einrichtungen in ihrer Zuständigkeit einsetzen möchten?
VG Montabaur: Damit das, was wir uns als Erwachsene, als Politik oder allgemein als Außenstehende vorstellen, auch bei den Kindern ankommt, ist es wichtig, diese mit einzubeziehen. Die Jugendlichen müssen sensibilisiert werden, wie wichtig es ist, gesundes Essen bzw. Bio-Lebensmittel zu sich zu nehmen. Nur so werden die ihnen angebotenen Speisen auch verzehrt. Hier spielt die Ernährungsbildung in Schule und zu Hause eine große Rolle.
VG Betzdorf-Gebhardshain: Wichtig ist, sich umfassend mit dem Thema zu beschäftigen und Informationen über Gesetze, Regelungen, Leitfäden, Praxisbeispiele von Umsetzungsmöglichkeiten einzuholen. Hilfreich war für die VG Betzdorf-Gebhardshain auch die Unterstützung des FZE RLP und die Teilnahme an dem Projekt „Nachhaltig und gesundheitsfördernd essen in Kita, Schule und Mensa“ innerhalb der Pilotregion Westerwald-Taunus.