Lärmbelastungen

In Deutschland sind die meisten Bürgerinnen und Bürger durch den Lärm von jenen Straßen und Bahnstrecken belastet, bei deren Bau das Bundes-Immissionsschutzgesetz noch nicht galt. Auch andere Fachgesetze enthalten keine schützenden Grenzwerte oder gleichwertige Bestimmungen.

Schall kann als belästigender und störender Lärm wahrgenommen werden. Lärm stresst. Chronischer Lärm beeinträchtigt mit zunehmender Belastung auch die Gesundheit. Zu den wichtigsten nachgewiesenen Lärmwirkungen im Umweltbereich gehören Schlafstörungen, Leistungsbeeinträchtigungen, körperliche Stressreaktionen und Herz-Kreislauferkrankungen. Negativer Stress ist ein Risikofaktor für ischämische Herzkrankheiten, wie Herzinfarkt und anderen Erkrankungen der Herzkranzgefäße, der häufigsten Todesursache in den Industrienationen. Die OECD gab bereits 1986 einen Schwellenwert von 65 dB(A) für die Lärmbelastung am Tag an, über dem Geräuschpegel zu unnatürlichen Verhaltensmustern führen, die symptomatisch für lärmbedingte ernsthafte Schädigungen sind.

Um zu vermeiden, dass normale Aktivitäten deutlich beeinträchtigt werden, hat die WHO 1996 in den „Guidelines for Community Noise“, die derzeit aktualisiert werden, einen Richtwert für den durchschnittlichen Außengeräuschpegel von 55 dB(A) bei Tag vorgeschlagen. Dabei hat die WHO darauf hingewiesen, dass zur Beschreibung der Lärmsituation der konventionelle energetische Mittelwert zumeist nicht ausreicht und es auch wichtig ist, die Höhe und Anzahl von Lärmereignissen zu betrachten.

Der Sachverständigenrat für Umweltfragen kommt 2008 zum Ergebnis, dass die Bevölkerung weiterhin unter einer hohen Lärmbelastung leidet, wobei der Straßenverkehr die bedeutendste Belastungsquelle darstellt. Für einen wirksamen Gesundheitsschutz ist es unabdingbar, die Lärmgrenzwerte für Wohnnutzungen flächendeckend kurzfristig tagsüber auf 65 dB(A) und nachts auf 55 dB(A), mittelfristig auf tagsüber 62 dB(A) und nachts auf 52 dB(A) und langfristig auf tagsüber 55 dB(A) und nachts auf 45 dB(A) zu reduzieren.

Das „European Centre for Environment and Health“ der Weltgesundheitsorganisation hat im Auftrag der Europäischen Kommission 2009 den Wissensstand zum Thema Lärm und Schlafstörungen in den „Night Noise Guidelines for Europe“ zusammengetragen und als offizielles WHO Dokument veröffentlicht. Demnach werden schädliche Gesundheitseffekte ab einem Dauerschallpegel von 40 dB(A) (nachts, außen) deutlich messbar. Ab einem Dauerschallpegel von 55 dB(A) (nachts, außen) wird die Situation zunehmend als gefährlich für die Gesundheit der Bevölkerung angesehen.

Informationen des Umweltbundesamtes: Night Noise Guideline als offizielles WHO-Dokument

Das Regionalbüro für Europa der WHO hat 2011 den Bericht „Krankheitslast durch Umweltlärm – Quantifizierung des Verlustes an gesunden Lebensjahren in Europa (Burden of Disease from Environmental Noise – Quantification of Healthy Life Years Lost in Europe) veröffentlicht. Unter konservativen Annahmen wird darin geschätzt, dass durch Umweltlärm in der europäischen Union und weiteren westeuropäischen Ländern 61.000 gesunde Lebensjahre aufgrund von ischämischen Herzkrankheiten verloren gehen („DALYs lost“), 903.000 Jahre aufgrund von Schlafstörungen, 45.000 Jahre aufgrund von kognitiven Beeinträchtigungen bei Kindern, 22.000 Jahre aufgrund von Tinnitus und 587.000 Jahre aufgrund von erheblicher Belästigung. Insgesamt gehen somit jährlich mindestens eine Million gesunde Lebensjahre in West-Europa durch Umweltlärm verloren.

Information des Umweltbundesamtes: Krankheitslast durch Umweltlärm - Quantifizierung des Verlustes an gesunden Lebensjahren in Europa

Die NORAH-Studie (Noise-Related Annoyance, Cognition and Health) zur Wirkung von Luft-, Straßen- und Schienenverkehr wurde im Rhein-Main Gebiet im Umfeld des Flughafens Frankfurt am Main, mit einigen Studienteilen ebenso in der Umgebung der Flughäfen Berlin-Brandenburg, Köln/Bonn und Stuttgart durchgeführt. Im Ergebnis bestätigt und erhärtet NORAH die bisherige Studienlage in wesentlichen Punkten, wonach chronischer Lärm vom Luft-, Straßen- und Schienenverkehr die Gesundheit in der betroffenen Bevölkerung gefährdet.

In der NORAH Studie sind in fünf Teilstudien von der WHO genannte Auswirkungen von Flug-, Straßen- und Schienenverkehrslärm untersucht worden:

1.    Belästigung und Beeinträchtigung der Lebensqualität

2.    Krankheitsrisiken

3.    Auswirkungen auf den Schlaf

4.    Auswirkungen auf den Blutdruck

5.    Auswirkungen auf die kognitive Leistungsfähigkeit und die Lebensqualität von Kindern

Nach vorläufiger Bewertung einige Ergebnisse im Einzelnen:

1.    Belästigung und Beeinträchtigung der Lebensqualität  

Bei gleichem mittlerem Lärmpegel belästigt Fluglärm die Menschen weitaus stärker als Straßen- oder Schienenverkehrslärm. Der sogenannte Fluglärmmalus beträgt demnach etwa 20 Dezibel. Das bedeutet, dass Fluglärm die Menschen so stark stört und belästigt wie Bahn- oder Straßenverkehrslärm mit etwa 100-fach höherer Intensität. Der inzwischen durch den Gesetzgeber abgeschaffte Schienenbonus betrug zum Vergleich 5 Dezibel. An allen untersuchten Flughäfen lag die Belästigung auch deutlich über den noch auf älteren Studien beruhenden EU-Standardkurven, die in mehreren nationalen und europäischen Lärmrichtlinien derzeit noch verwendet werden. Auch im Zusammenwirken mit Bahn- oder Straßenverkehrslärm hat Fluglärm den dominierenden Einfluss auf die Belästigung. Würden nur die physikalisch messbaren Schallpegel aus zwei Verkehrslärmarten addiert, besteht die Gefahr, dass die Belästigung durch den kombinierten Lärm unterschätzt wird.

2.    Krankheitsrisiken

Für alle drei untersuchten Verkehrslärmarten besteht ein Zusammenhang mit dem Auftreten eines Herzinfarktes, eines Schlaganfalls, einer Herzinsuffizienz (Herzschwäche) und einer Depression. Hinsichtlich Brustkrebs sind sichere Schlussfolgerungen derzeit nicht möglich. Bei der Auswertung der Krankenkassendaten von rund einer Million Menschen wurden Krankheiten untersucht, die in Deutschland weit verbreitet sind. Die Auswirkung von Lärm auf Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes wurde nicht untersucht.

3.    Auswirkungen auf den Schlaf         

Die Wahrscheinlichkeit, bei einem Überflug aufzuwachen, ist im Rhein-Main Gebiet gleichgeblieben und unabhängig von der Einführung der nächtlichen Kernruhezeit von 23 bis 5 Uhr im Jahr 2011. Aufgrund der geringeren Anzahl nächtlicher Überflüge wachten die Anwohner des Flughafens im Jahr 2012 weniger auf als im Jahr 2011. Diese objektiv gemessene Verringerung der Aufwachreaktionen spiegelt sich jedoch nicht in den persönlichen Bewertungen der Teilnehmer wieder. Diese gaben von 2011 bis 2013 leicht zunehmend an, tagsüber müde und schläfrig zu sein – unabhängig von der Fluglärmbelastung. Aus den Daten konnten die Wissenschaftler für diesen Effekt bisher keine Erklärung aus Faktoren ableiten, die die Studie untersucht hat. Häufiger hingegen wachten in 2012 solche Teilnehmer durch Überflüge auf, die später ins Bett gingen und dadurch in ihrer Schlafzeit mehr vom Flugverkehr nach 5 Uhr mitbekamen.

4.    Auswirkungen auf den Blutdruck    

Die Studie konnte nicht statistisch sicher bestätigen, dass Verkehrslärm den Blutdruck chronisch erhöht. Dieses Ergebnis widerspricht teilweise Hinweisen aus früheren Studien, ist insgesamt jedoch mit dem Stand eines Großteils der bisherigen Forschung vergleichbar. Es ergaben sich allerdings Hinweise auf besonders empfindliche Personengruppen.

5.    Auswirkungen auf die kognitive Leistungsfähigkeit und die Lebensqualität von Kindern

In stark von Fluglärm belasteten Gebieten lernen Grundschulkinder langsamer lesen als Kinder in ruhigen Lagen: Eine Lärmzunahme von 10 Dezibel verzögert das Lesenlernen um einen Monat.


Hinsichtlich der Berichterstattung durch die Bundesregierung zum Fluglärmschutzgesetz spätestens 2017 regten Wissenschaftler bei der Vorstellung der Ergebnisse auf der 3. Internationalen Konferenz aktiver Schallschutz am 13./14. November 2015 in Frankfurt an, die Berechnung der Nachtschutzzone durch geeignete Berücksichtigung von Höhe und Anzahl von Lärmereignissen stärker an Aufwachreaktionen auszurichten. Entsprechendes gelte auch für den Schutz der Nachtruhe beim Bahnlärm.


Weitere Informationen und Ergebnisse zur Studie sind mit Beteiligung der Wissenschaftler in der Reihe „NORAH Wissen“ veröffentlicht.

An den nach der Umgebungslärmrichtlinie kartierten Hauptverkehrsstraßen in Rheinland Pfalz ist für mehr als 112.000 Personen der Mittelungspegel von 55 dB(A) in der Nacht überschritten. Sowohl der Sachverständigenrat für Umweltfragen als auch die WHO („Night Noise Guidelines for Europe“) sehen spätestens bei Überschreitung dieses „Interims-Wertes“ kurzfristigen Handlungsbedarf. Von Überschreitungen durch Güterzugverkehr sind alleine im Mittelrheintal weitere 25.000 Menschen betroffen. Statt in logarithmischen Dezibel ausgedrückt, ist die zulässige „Lärmdosis“ (Schallenergie) dort um bis zum 400-fachen überschritten. Für den Fluglärm fehlen bisher vergleichbare flächenhafte Berechnungen. Hohe Lärmpegel, die den Schlaf in der Zeit von 5 bis 6 Uhr besonders stören, sind in Mainz durch Messungen belegt.

Verkehrslärm und anderer Umgebungslärm ist auch in Rheinland-Pfalz ein generelles Problem: Nach einer repräsentativen Befragung aus dem Jahr 2008 ist Fluglärm durch zivilen und militärischen Luftverkehr noch vor dem Straßenverkehr, der sonst die Statistik in Deutschland und Europa anführt, die bedeutendste Lärmquelle. Können von Straßenverkehr und Bahnlärm Betroffene möglicherweise in abgewandte, leisere Räume ausweichen, gibt es beim Fluglärm keine „leisere“ Seite. Auch deshalb ist Fluglärm bei gleichem Messwert störender als anderer Lärm.

In Rheinland-Pfalz beträgt der Anteil der durch Fluglärm "stark und äußerst gestört oder belästigten" Personen in der Bevölkerung 12,2 %, durch Straßenverkehrslärm (10,3 %) und durch Schienenverkehrslärm (3,7 %). Der von Fluglärm in Rheinland-Pfalz betroffene Bevölkerungsanteil ist damit doppelt so hoch wie im Bundesdurchschnitt (6,1 %). Bundesweit ist der Straßenverkehrslärm (11,6 %) vor Fluglärm (6,1 %) und Schienenverkehrslärm (3,2 %) die wichtigste Lärmquelle.

Weitere bedeutende Lärmquellen sind Baustellen, Sport- und Freizeitanlagen einschließlich Festen und Veranstaltungen sowie Nachbarschaftslärm. Der Lärm von Industrie und Gewerbe führt durch die Regelungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der TA Lärm inzwischen zu vergleichsweise geringen Störungen und Belästigungen.

Lärmbelästigung in der Bevölkerung in Rheinland-Pfalz 2008
- Ergebnisse einer landesweiten Telefonbefragung -