Überwachung der Radioaktivität in der Umwelt
Die Radioaktivitätsüberwachung in Rheinland-Pfalz gliedert sich in zwei Bereiche:
- Überwachung der allgemeinen Umweltradioaktivität (Strahlenschutzvorsorge).
- Überwachung des unmittelbaren Einwirkungsbereichs von Atomkraftwerken (Umgebungsüberwachung).
Die Überwachung der Umweltradioaktivität kam Mitte der 50er Jahre auf, als durch den Fallout von oberirdischen Kernwaffenversuchen Radioaktivität auch nach Deutschland verfrachtet und in unsere Ökosysteme eingetragen wurde. Dabei bildete sich eine Aufgabenteilung zwischen Bund und Ländern heraus, die im Wesentlichen auch heute noch besteht. Infolge des Reaktorunfalls im sowjetischen Kernkraftwerk Tschernobyl wurde die bis dahin auf Verwaltungsvereinbarungen beruhende Überwachung der Umweltradioaktivität auf mit dem Strahlenschutzvorsorgegesetz auf eine gesetzliche Basis gestellt, wobei die Überwachungsaufgaben gemäß Strahlenschutzgesetz Teil 5 klar aufgeteilt wurden:
Aufgaben des Bundes
· Die großräumige Ermittlung der Radioaktivität in Luft und Niederschlägen, in Bundeswasserstraßen und in Nord- und Ostsee sowie die Ermittlung der Gamma-Ortsdosisleistung.
· Die Entwicklung und Festlegung von Probenahme-, Analyse-, Mess- und Berechnungsverfahren sowie die Durchführung von Vergleichsmessungen und Vergleichsanalysen (Leitstellen).
Aufgaben der Länder
· Die Ermittlung der Radioaktivität insbesondere in Lebensmitteln, Tabakerzeugnissen, Bedarfsgegenständen, Arzneimitteln und deren Ausgangsstoffen, Futtermitteln, Trinkwasser, Grundwasser, oberirdischen Gewässern außer Bundeswasserstraßen, Abwässern, Klärschlamm, Reststoffen und Abfällen, Boden und Indikatorpflanzen.
· Die Übermittlung der gewonnenen Daten der Überwachung der Umweltradioaktivität an den Bund.
Für die Dokumentation und Auswertung wurde vom BMU das sogenannte Integrierte Mess- und Informationssystem (IMIS) geschaffen, das auch zur Information über die radiologische Lage dient. An dieses System sind alle Radioaktivitätsmessstellen des Bundes und der Länder angeschlossen, die sich mit der Überwachung der Umweltradioaktivität befassen. Mit einem Routineprogramm werden regelmäßig Daten aus allen Umweltbereichen erhoben, so dass die Umweltradioaktivität aktuell bewertet werden kann. Im Falle einer Situation, bei der mit einem erhöhten Eintrag von radioaktiven Stoffen in die Biosphäre gerechnet werden muss, löst das BMU Intensivmessprogramme aus, bei denen die Häufigkeit der Überwachungsmessungen erhöht wird.
Umgebungsüberwachung bei Atomkraftwerken
Die Umgebungsüberwachung beruht auf dem Atomgesetz in Verbindung mit § 103 der Strahlenschutzverordnung. Sie soll eine Beurteilung der aus Ableitungen radioaktiver Stoffe mit Luft und Wasser resultierenden Strahlenexposition des Menschen ermöglichen und eine Kontrolle der Dosisgrenzwerte gewährleisten. Die Überwachung erstreckt sich in der Regel auf Umweltmedien in einem Umkreis von ca. 10 km um die Anlage, da hier am ehesten mit messbaren Kontaminationen zu rechnen ist.
Das Umgebungsüberwachungsprogramm wird von der atomrechtlichen Aufsichtsbehörde - in Rheinland-Pfalz bei kerntechnischen Anlagen das Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität - festgelegt. Es werden insbesondere folgende Medien untersucht:
· Luft, Boden sowie Grund- und Oberflächengewässer
· Pflanzen und pflanzliche Nahrungsmittel
· Milch, Fische
und
· Trinkwasser.
Zusätzlich wird die Strahlung von luftgetragenen bzw. am Boden abgelagerten radioaktiven Stoffen gemessen.
Jährlich werden mehrere hundert Messungen vorgenommen. Für die Durchführung dieser Messungen ist der Betreiber verantwortlich. Dieser hat nach der Richtlinie zur Emissions- und Immissionsüberwachung unabhängige Messstellen mit der Durchführung eines festgelegten Programmteils zu beauftragen. Die Messungen setzen an unterschiedlichen Punkten möglicher Übertragungswege von Radioaktivität aus der Natur auf den Menschen an. So überwacht beim sogenannten "Weide-Kuhmilch-Pfad" der Kraftwerksbetreiber die Radioaktivitätskonzentrationen im Weidegras, während die Messstelle Radioaktivitätskonzentrationen in der Kuhmilch prüft.
Die Ergebnisse der Umgebungsüberwachung sind in Berichten zusammenzufassen, die der atomrechtlichen Aufsichtsbehörde, dem BMU sowie den sogenannten Leitstellen des Bundes für die Radioaktivitätsüberwachung vorzulegen sind. Dadurch wird sichergestellt, dass die radioaktiven Immissionen in Deutschland einheitlich überwacht und beurteilt werden. Das BMU seinerseits fasst die Ergebnisse in seinen Jahresberichten zur Überwachung der Umweltradioaktivität und zum Strahlenschutz zusammen.
In Rheinland-Pfalz wurden die folgenden Umgebungsüberwachungsprogramme festgelegt.
Für das Atomkraftwerk Mülheim-Kärlich wurde das betriebliche Überwachungsprogramm in das Programm für die Stilllegung und die Abbauphase überführt.
Für die Atomkraftwerke Biblis und Philippsburg wurde in Zusammenarbeit mit der jeweils zuständigen atomrechtlichen Aufsichtsbehörde von Hessen und Baden-Württemberg ein Umgebungsüberwachungsprogramm für das rheinland-pfälzische Gebiet festgelegt.
Für das Atomkraftwerk Cattenom wurde mit dem Saarland ein Überwachungsprogramm abgestimmt. Dieses Programm dient der Überwachung der radioaktiven Immissionen in der grenznahen Umgebung des Atomkraftwerks Cattenom.
Messstellen in Rheinland-Pfalz zur Überwachung der allgemeinen Umweltradioaktivität sind:
Landesamt für Umwelt, Mainz (Luft, Wasser)
Landesuntersuchungsamt -Institut für Lebensmittelchemie- Speyer (Nahrungsmittel)
Landwirtschaftliche Untersuchungs- und Forschungsanstalt Speyer (Boden, Pflanzen)
Seit der Inbetriebnahme des ehemaligen AKW Mülheim-Kärlich im Jahr 1986 wird die Radioaktivität in der Umgebung behördlich überwacht. Diese Überwachung wird auch in der Phase des Rückbaus bis zur endgültigen Entlassung der Anlage aus dem Atomgesetz fortgeführt. Ein Baustein dieser Umgebungsüberwachung war die Reaktorfernüberwachung (RFÜ), mit der der Strahlenpegel in der Umgebung gemessen wurde. Die automatischen Messstationen der RFÜ waren ursprünglich für die Überwachung einer in Betrieb befindlichen Anlage konzipiert und sollten bei einem möglichen Unfall schnell Informationen für behördliche Katastrophenschutzmaßnahmen liefern. Aufgrund des sehr geringen verbliebenen Inventars an Radioaktivität in der Anlage Mülheim-Kärlich, die lediglich ein Jahr im Leistungsbetrieb war und seit 2004 brennelementfrei ist, und dem damit verbundenen sehr geringen Freisetzungspotenzial, haben sich die RFÜ-Messstationen als nicht mehr notwendig erwiesen. Daher wurde beschlossen, diese Art der Überwachung am 30.06.2021 einzustellen.
Das verbleibende behördliche Umgebungsüberwachungsprogramm mit seiner empfindlichen Spurenanalytik von Luft, Niederschlägen, Trinkwasser, landwirtschaftlichen Produkten, Bewuchs und Boden wird hingegen fortgesetzt, solange die Anlage Mülheim-Kärlich noch unter atomrechtlicher Aufsicht steht. Mit den dort verwendeten, diskontinuierlich arbeitenden Dosimetern sowie radiochemischen Analysen können geringste Veränderungen des Strahlenpegels nachgewiesen werden. Die Ergebnisberichte der Umgebungsüberwachung sind auf der Homepage des Landesamts für Umwelt abrufbar.