„Von den planetaren Grenzen ist die der Biosphäre, zu der auch die Artenvielfalt zählt, am stärksten überschritten. Die biologische Vielfalt ist unsere Lebensgrundlage, die wir erhalten müssen. Jede dritte Pflanzenart in Rheinland-Pfalz gilt heute als bestandsgefährdet. In den Kategorien der Roten Liste heißt das: gefährdet, stark gefährdet, vom Aussterben bedroht oder ausgestorben. Von den etwa 2000 heimischen Pflanzenarten können weniger als die Hälfte – nämlich nur 900 Arten – wirklich als ungefährdet eingestuft werden. Das zeigt uns: Die Biodiversitätskrise ist alarmierend, es herrscht dringender Handlungsbedarf“, sagte Klimaschutz- und Umweltministerin Katrin Eder angesichts der neu erschienenen Roten Liste der Farn- und Blütenpflanzen.
Die Ministerin betonte, dass ein Rückgang der Pflanzenvielfalt unmittelbare Folgen auf die Tierwelt zeigt, insbesondere bei den Insekten. Viele Insektenarten sind auf das Vorhandensein bestimmter Pflanzen angewiesen, manchmal sogar auf eine einzige Art. Das gilt insbesondere für Schmetterlinge, die sie zur Eiablage und somit als Nahrungspflanze für ihre Raupen benötigen. Um den Bestand bedrohter Pflanzenarten zu stärken, setzt das Land Rheinland-Pfalz auf zahlreiche Maßnahmen, wie den Vertragsnaturschutz, den Einsatz von Biotoppflegerinnen und -pflegern und die Durchführung verschiedener Aktion-Grün-Projekte.
In der neuen Roten Liste „Farn- und Blütenpflanzen Rheinland-Pfalz“ hat das Autorenteam um Hauptautor Dennis Hanselmann im Auftrag des Landesamtes für Umwelt (LfU) rund 2000 heimische Pflanzen nach ihrem Gefährdungsgrad bewertet. Beim LfU sind zudem weitere Rote Listen wie beispielsweise Geradflügler, Großschmetterlinge, Libellen oder Brutvögel verfügbar. „Rote Listen sind ein wichtiges Instrument des Naturschutzes. Sie dienen beispielsweise als Grundlage für Umweltplanungen, Bewertung von Eingriffen oder auch der Einrichtung von Pflegemaßnahmen“, verdeutlichte Dr. Frank Wissmann, Präsident des LfU.
Vier Prozent aller heimischen Arten ausgestorben oder verschollen
In der aktuellen Publikation werden rund vier Prozent aller heimischen Farn- und Blütenpflanzen als ausgestorben oder verschollen eingestuft. Vom Aussterben bedroht sind circa sieben Prozent aller bewerteten Arten. Dazu zählen beispielsweise die Sand-Lotwurz (Onosma arenaria) oder die Gewöhnliche Wassernuss (Trapa natans). Stark gefährdet sind elf Prozent, darunter beispielsweise die Bopparder Schleifenblume (Iberis linifolia subsp. boppardensis), die ausschließlich nur in Rheinland-Pfalz vorkommt. „Insgesamt hat die Zahl der bisher ungefährdeten Arten deutlich abgenommen. Das entspricht dem bundesweiten Trend, der ebenfalls eine Abnahme ungefährdeter Arten verzeichnet“, so LfU-Präsident Dr. Frank Wissmann. Auch sind mehr Arten inzwischen auf der sogenannten Vorwarnliste zu finden. Das betrifft auch einige allgemein bekannte und früher sehr weit verbreitete Arten wie die Kornblume (Centaurea cyanus) und den Gewöhnlichen Teufelsabbiss (Succisa pratensis), die 1996 noch als ungefährdet galten.
Vielfältige Ursachen für Artenrückgang
Die Ursachen für die Gefährdung von Farn- und Blütenpflanzen in Rheinland-Pfalz sind vielfältig und haben sich seit der letzten Listenerstellung 1996 auch kaum geändert. Zu ihnen zählen der Landnutzungswandel (zum Beispiel Aufforstung oder Trockenlegung von Mooren) und auch die Intensivierung der Landwirtschaft, damit einhergehend der Einsatz von Herbiziden sowie die Überdüngung, die Ackerwildkräuter oder Magerkeitszeiger weiter zurückdrängen. Auch die zunehmende Versiegelung von Flächen bedroht verschiedene Pflanzenarten. Hinzu kommen dann noch gebietsfremde Pflanzen, sogenannte Neophyten, die einheimische Arten verdrängen und auch der Klimawandel, der gerade das Verbreitungsgebiet von kälte- und feuchteliebenden Pflanzen, wie beispielweise in Mooren, weiter verschmälert. „Viele der Gefährdungsursachen für Farn- und Blütenpflanzen sind auf Eingriffe durch den Menschen in die Natur zurückzuführen – das heißt aber auch: Es gibt eine Möglichkeit gegenzusteuern“, so Umweltministerin Katrin Eder.
Auch positive Entwicklungen zu verzeichnen
Es gibt aber auch gute Nachrichten: 20 Arten gelten nach der neuen Roten Liste nicht mehr als verschollen. Dazu zählen die Gewöhnliche Grasnelke (Armeria maritima subsp. elongata), die Blume des Jahres 2024, oder die Sumpf-Gladiole (Gladiolus palustris), die auch nach einer Europäischen Naturschutzrichtlinie geschützt ist und einem Monitoring in Rheinland-Pfalz unterliegt. Die Kugelfrucht-Binse (Juncus sphaerocarpus) konnte sogar so zahlreich gefunden werden, dass sie nun von ehemals verschollen als ungefährdet eingestuft werden konnte. Erholen konnten sich auch wärmeliebende Orchideen wie beispielsweise die Bienen-Ragwurz (Ophrys apifera).
Auch Schutzmaßnahmen haben sich positiv auf den Bestand ausgewirkt wie beim Gewöhnlichen Schwimmfarn (Salvinia natans). Hier haben Wiederansiedlungsmaßnahmen in über zehn Gewässern zwischen Wörth und Altrip zu einer Verbesserung der Bestandssituation geführt. Er gilt aber weiterhin als stark gefährdet. „Dass 20 Arten, die als verschollen galten, dabei sind sich zu erholen, zeigt, dass sich unsere Anstrengungen und Bemühungen im Natur- und Biodiversitätsschutz auszahlen. Mein Dank gilt deshalb ausdrücklich allen, die sich in ihrer täglichen Arbeit oder ehrenamtlich in diesen beiden Bereichen engagieren. Dazu zählt auch das Autorenteam sowie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des LfU, die uns mit der Erstellung der Roten Liste ein wichtiges Entscheidungsinstrument an die Hand geben“, so Eder.
Hintergrundinformationen zur Roten Liste
In Rheinland-Pfalz werden seit den 1980er Jahren Rote Listen erstellt und regelmäßig aktualisiert. Hierfür werden Kartierungen und Literaturquellen ausgewertet und Expertinnen und Experten befragt, um nach standardisierter Methodik eine Aussage zur Gefährdung von einzelnen Arten in Rheinland-Pfalz treffen zu können. Diese resultieren in einer Einstufung in Kategorien nach einem bestimmten Zahlensystem von 0 (ausgestorben oder verschollen) über 1 (vom Aussterben bedroht), 2 (stark gefährdet), bis hin zu 3 (gefährdet). Höhere Zahlen entsprechen dabei einer geringeren Gefährdungsstufe. Eine wichtige weitere Kategorie ist die sogenannte Vorwarnliste. In dieser werden Arten eingestuft, die einen merklichen Rückgang erfahren haben, aber noch nicht als gefährdet gelten. Sie dient damit als Übergangsstufe zwischen den ungefährdeten und den als gefährdet eingestuften Arten und soll darauf hinweisen, dass bei Fortbestand der Risikofaktoren in absehbarer Zeit eine Einstufung in die Kategorie 3 (gefährdet) erfolgen wird. Hinzu kommt auch noch die Einschätzung kurzfristiger sowie langfristiger Trends, die ebenfalls in den Tabellen aufgeführt werden.
Die Bewertungen einer Roten Liste sind auch immer eine Momentaufnahme und stellen den Datenstand bis zu einem bestimmten Zeitpunkt dar. Sie muss regelmäßig aktualisiert werden, um weiterhin in der Naturschutzarbeit nützlich zu sein und aktuelle Bestandsentwicklungen aber auch Artenkonzepte darstellen zu können. Dies erfolgt im Rahmen von Aktion-Grün-Projekten, die vom Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität ermöglicht und gefördert werden.
Die nun veröffentlichte Fassung der Roten Liste Farn- und Blütenpflanzen entstand im Auftrag des Landesamtes für Umwelt durch den Hauptautor Dennis Hanselmann und weiterer Autoren sowie unter der Mitarbeit zahlreicher versierter Botaniker. Auch die ehrenamtlich Tätigen, die mit ihrem Wissen und ihren Erfassungen zu diesem Werk beigetragen haben, sollten nicht unerwähnt bleiben. Sie alle haben dazu beigetragen, ein möglichst umfassendes Bild zum Artbestand und dessen Verbreitung als Grundlage für die anschließende Bewertung zu erhalten. Bei Farn- und Blütenpflanzen ist die Abgrenzung von Arten nicht immer ganz einfach, sodass häufig, wie auch in dieser Publikation, von Sippen gesprochen wird. Dies ist eine Bezeichnung nicht nur für Arten, sondern auch Unterarten aber auch übergeordnete Gruppen. Der Einfachheit halber wird hier aber von Arten gesprochen.
Weitere Informationen, wie Steckbriefe ausgewählter Arten sowie die Rote Liste Farn- und Blütenpflanzen zum Download, sind zu finden unter https://lfu.rlp.de/de/startseite/2023/rote-liste