Das MKUEM löste am heutigen Donnerstag im Digitalausschuss seine Zusage ein, das juristische Gutachten zum Thema Microtargeting in Gänze zu veröffentlichen und die Ergebnisse dem Digitalisierungsausschuss des Landtags zur Verfügung zu stellen. Das Rechtsgutachten untersuchte dabei zwei Fragestellungen: Darf Microtargeting für die Öffentlichkeitsarbeit verwendet werden? Und: Handelt es sich bei der verwendetet Praxis des Microtargetings um Parteienfinanzierung?
Drei Rechtsanwälte der Kanzlei Redeker Sellner Dahs, darunter der renommierte Anwalt Gernot Lehr, der unter anderem Vorstandsmitglied des Studienkreises für Presserecht und Pressefreiheit in Stuttgart sowie Lehrbeauftragter für Medienrecht an der Universität Bonn und an der Universität Mainz ist, kommen dabei zu folgendem Ergebnis:
- Das Verwenden von Microtargeting und damit das Anzeigen von Werbung für eine bestimmte Zielgruppe ist ein zulässiges Mittel der Öffentlichkeitsarbeit.
- Es handelt sich nicht um Parteienfinanzierung. Die beworbenen Inhalte enthalten keine spezifische Partei- oder Wahlwerbung.
Hinsichtlich der Frage, ob es sich bei der angewandten Praxis des Microtargetings um ein zulässiges Mittel der Öffentlichkeitsarbeit handele, schreiben die Gutachter: „Die Verwendung von Microtargeting ist keine Besonderheit der Öffentlichkeitsarbeit des Klimaschutzministeriums, sondern im Gegenteil gängige Praxis auf Facebook. Die Methode wird nicht nur von Unternehmen, sondern auch von den verschiedenen politischen Parteien sowie von Landesregierungen und der Bundesregierung genutzt.“
Allerdings müssen dabei, so die Gutachter, einige Prinzipien gewahrt werden: Dabei handele es sich um die Grundsätze der Allgemeinzugänglichkeit der Information, das Sachlichkeits- und Richtigkeitsgebot, das Neutralitätsgebot sowie das Verbot der Wahlwerbung. Gegen einen dieser Grundsätze, das Neutralitätsgebot, habe das MKUEM in geringer Intensität verstoßen, indem es Zielgruppenkriterien wie „Bündnis90/DIE GRÜNEN“ verwendet hat.
Dennoch kommen die Gutachter zu folgendem Ergebnis: „… [Es] ist davon auszugehen, dass das vom Ministerium verwendete Microtargeting im weit überwiegenden Teil rechtlich unbedenklich war. Vereinzelt wurden jedoch verfassungsrechtlich unzulässige Zielgruppenkriterien verwendet. Dabei sind diese vereinzelten Verstöße des Ministeriums jedoch in ihrer Gesamtheit von geringer Intensität.“
In ihrer Begründung für die geringe Verletzungsintensität berufen sich die Rechtsanwälte auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes. Dieses lege nahe, dass nur gravierende und wiederholte Verletzungen der Grundsätze zur Öffentlichkeitsarbeit der Regierung von verfassungsrechtlicher Relevanz seien. Das sei beim MKUEM nicht der Fall.
Dabei sei außerdem zu beachten, dass die für Öffentlichkeitsarbeit aufgewandten finanziellen Mittel äußerst gering waren: Das Ministerium hat innerhalb von drei Jahren (seit September 2018) laut Facebook-Werbeanzeigenmanager lediglich rund 10.600 Euro netto für Microtargeting ausgegeben. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass die Verwendung der bedenklichen Zielgruppenkriterien nicht politisch vorgegeben oder gar erwünscht waren, sondern auf Mitarbeiterebene ohne Kenntnis der Leitungsebene erfolgten.
Nachdem die Verwendung bedenklicher Zielgruppenkriterien durch die Sendung „ZDF Magazin Royale“ am 24. September 2021 bekannt wurde, wurde das Microtargeting unverzüglich vorsorglich eingestellt und wiederholt öffentlich erklärt, dass die Verwendung des Kriteriums „Bündnis 90/DIE GRÜNEN“ falsch und ein Fehler gewesen sei. Zudem wurde das Gutachten beauftragt, um daraus Schlüsse für eine künftige Social-Media-Strategie abzuleiten.
Das Klimaschutzministerium berät nun, wie fortan mit dem Instrument des Microtargetings umgegangen werden soll.
Das Gutachten ist abrufbar unter: https://dokumente.landtag.rlp.de/landtag/vorlagen/1519-V-18.pdf