„Heute gibt es einen Grund zur Freude. Wir übergeben einen weiteren Teil des Staatswaldes einer eigendynamischen Entwicklung. Wir haben im Westerwald zwei neue Naturwaldreservate ausgewiesen. Landesforsten wird hier beobachten und forschen und bewusst keine Bäume ernten oder pflanzen. Auf über 200 Hektar entsteht Wildnis“, sagte Klimaschutzministerin Katrin Eder bei der Ausweisung der großen Naturwaldreservate „Auf dem Knopf“ mit 150 Hektar bei Altenkirchen und des Naturwaldreservats „Montabaurer Höhe – Alarmstange“ mit 56 Hektar bei Neuhäusel. Insgesamt gibt es in Rheinland-Pfalz 62 Reservate mit einer Gesamtfläche von 2699 Hektar. Die Durchschnittsgröße eines Naturwaldreservates liegt bei etwa 43,5 Hektar.
Naturwaldreservate sind Gebiete, in denen in besonderer Weise von der Forschungsanstalt für Waldökologie und Forstwirtschaft (FAWF), neben dem Ziel einer natürlichen Waldentwicklung, geforscht und beobachtet wird. Um den Waldbesuchenden das näher zu bringen, stellt Landesforsten an besonders frequentierten Zugangspunkten zu den Reservaten Informationstafeln auf.
Die beiden jetzt ausgewiesenen Reservate haben eine besondere Geschichte. Für viele Jahrzehnte hat auf großen Teilen des Westerwaldes ein lückenloser, dichter Fichtenwald die Landschaft geprägt. Die Fichten wurden nach den so genannten „Reparationshieben“, den großen Kahlschlägen der Besatzungsmächte nach dem 2. Weltkrieg, gepflanzt, da sie sehr schnell wachsen und ihr Holz als Bauholz besonders wertvoll ist. Doch außerhalb ihrer natürlichen Heimat reagiert die Fichte besonders sensibel auf Klimaveränderungen.
Die extremen Dürre- und Hitzejahre von 2018 bis 2020 lösten eine Borkenkäferkatastrophe aus, die zu großflächigen Waldveränderungen führte. Viele der vom Borkenkäfer befallenen Bäume wurden aus Gründen des Infektionsschutzes gefällt, um so eine weitere Ausbreitung des Befalls zu verhindern. Aufgrund der besonders hohen Dichte an Dürrejahren erwies sich der Kampf gegen die massenhafte Vermehrung der Käfer aussichtslos und die Abwehrkräfte der Fichte aufgebraucht. Zahlreiche tote, noch stehende oder bereits umgebrochene Fichten zeugen davon, dass die Notfällungen schließlich eingestellt wurden.
„Bilder wie diese sind Indikator und für lange Zeit sichtbares Symbol der menschengemachten Klimakatastrophe. Und genau hier werden Naturwaldreservate eingerichtet. Der Blick geht nach vorne. Hier entstehen Wälder, ausschließlich nach den Maßgaben der Natur. Sie bieten uns die Chance, die Klimawandelfolgen zu beobachten und zu erforschen“, gab Eder die Richtung vor. Die FAWF hatte diese besonderen Flächen in ihr umfassendes Programm der Naturwaldforschung aufgenommen. So wurde die Chance genutzt, unmittelbar nach dem Sterben der Fichten mit der Erfassung einer Vielzahl von Daten zu beginnen, um die Entwicklung von Anfang an verfolgen zu können. Seit 2021 werden auf der Montabaurer Höhe in Kooperation mit der Universität Koblenz und der Universität Göttingen ökologische Untersuchungen, beispielsweise zu ausgewählten Tiergruppen wie Käfern, Spinnen und Brutvögeln durchgeführt.
Die Ergebnisse sollen künftig als Hinweise im Umgang mit Kalamitätsflächen dienen und ein Fenster in die Zukunft öffnen: Welche Hinweise kann die Forschung für die Wiederbewaldung im bewirtschafteten Wald geben? Wie müssen die Forstleute den Wald im Klimawandel bewirtschaften, um möglichst nah an der Natur zu arbeiten? Wie können sie eine hohe Biodiversität des Waldökosystems gewährleisten und gleichzeitig hochwertiges, verwendbares Holz für unsere Gesellschaft erzielen? Diese Forschung soll Landesforsten unterstützen auch künftig Antworten auf diese Fragen zu geben. „Das Ziel ist, in den Naturwaldreservaten der Natur den Vortritt zu lassen, um von ihr zu lernen“, erläuterte Eder.