Der Fluglärm über Mainz und Rheinhessen ist für die Bevölkerung in der Region bereits vor der geplanten Inbetriebnahme der neuen Landebahn im Oktober außerordentlich belastend. Dies untermauern die ersten Ergebnisse der im März von der rheinlandpfälzischen Landesregierung aufgestellten Fluglärm-Messstation in Mainz-Weisenau, die Umweltministerin Ulrike Höfken am Donnerstag vorstellte: „Die Fluglärmbelastungen sind insbesondere bei Ostbetrieb des Flughafens schon heute besorgniserregend. Sie bestätigen, was viele Menschen seit geraumer Zeit empfinden.“
Zusammen mit Infrastrukturminister Roger Lewentz forderte Höfken: „Die Gesundheit der Menschen und der Schutz vor Fluglärm müssen Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen haben.“ Sie kündigten an, dass die Landesregierung auf den Bundesverkehrsminister zugehen werde, um die Problematik mit dem Bund intensiv zu erörtern. „Wir werden weiter daran arbeiten, für Mainz und Rheinhessen weniger belastende Flugrouten zu erreichen.
In jedem Fall notwendig ist das in der Mediation zugesagte strikte Nachtflugverbot zwischen 23 und 5 Uhr“. Lewentz und Höfken kritisierten in diesem Zusammenhang, dass der Flughafenkoordinator beim Bundesverkehrsministerium für den Winterflugplan 2011/2012 in der Nacht jetzt 17 Flüge zugelassen habe, obwohl das Bundesverwaltungsgericht noch nicht über die anhängigen Klagen und die zulässige Zahl von Nachtflügen entschieden habe.
Je nach Windrichtung donnern täglich bis zu 600 Flugzeuge über Rheinhessen. Neben der Fluglärm-Messstation in Mainz-Weisenau hat die Landesregierung im Mai eine weitere Messstation in Nackenheim in Betrieb genommen. Den nun vorliegenden ersten Messergebnissen aus Mainz-Weisenau zufolge werden in lauten Nächten Mittelwerte von 52 dB erreicht. Das heißt, die Empfehlung der Mediation von 47 dB wird bereits vor der Eröffnung der neuen Landebahn des Frankfurter Flughafens im Oktober deutlich überschritten. In typisch lauten Nächten kommen nach dem Ergebnis von Stichproben Überflüge mit Maximalpegeln von 68 dB und mehr über 18 Mal vor.
Dem Mediationsergebnis zufolge sind nachts höchstens 6 bis 8 solcher Überflüge zumutbar. Besonders laut ist es den Messungen in Mainz-Weisenau zufolge zwischen fünf und sechs Uhr morgens mit Stundenpegeln bis über 60 dB. Tagsüber liegen die Pegel bei bis zu 58 dB. Damit wird die Empfehlung der Mediation von 60 dB zwar vor dem Ausbau der Frankfurter Flughafens noch eingehalten. „Aber in Anbetracht der Tatsache, dass die neue Landebahn noch gar nicht in Betrieb ist, zeigen diese Werte, dass da Handlungsbedarf ist“, so Umweltministerin Höfken. Das Umweltministerium werde in Mainz-Weisenau und Nackenheim weiter messen, um die Interessenvertretung der Betroffenen zu sichern. Die Daten veröffentlicht das Landesamt für Umwelt, Wasserwirtschaft und Gewerbeaufsicht monatlich auf seiner Homepage unter unter <link http: www.luwg.rlp.de>www.luwg.rlp.de.
Mit einem eigens in Auftrag gegebenen Gutachten hat die Landesregierung zwischen-zeitlich nachgewiesen, dass es Alternativen zu den von der Deutschen Flugsicherung vorgestellten neuen Flugrouten für den Frankfurter Flughafen gibt und der Fluglärm gerechter verteilt werden könnte. „Kommen die Flugrouten wie bislang von der Deutschen Flugsicherung (DFS) beantragt, behalten wir uns eine Klage oder die Unterstützung von Klagen Dritter vor“, betonte Lewentz. Auch dazu würden weitere gutachterliche Stellungnahmen eingeholt. Lewentz kündigte im Übrigen an, dass sich die Landesregierung im Bundesrat weiter für Änderungen der gesetzlichen Grundlagen einsetzen werde, um einen besseren Schutz vor Fluglärm zu erreichen. In einem ersten Schritt habe die Landesregierung bereits eine Bundesratsinitiative mit dem Ziel eingebracht, die DFS zu verpflichten, bei der Planung von Flugrouten in der Nacht nach der Sicherheit dem Lärmschutz Priorität einzuräumen, auch wenn dies wirtschaftliche und betriebliche Einschränkungen erfordere.Mittelfristig sei eine Änderung der Verfahren bei der Festlegung von Flugrouten erforderlich, das bislang praktisch unter Ausschluss der betroffenen Bevölkerung stattfinde. Auch dazu werde das Land Vorschläge in den Bundesrat einbringen, so Lewentz.
Hintergrund zum Mediationsverfahren
Die hessische Landesregierung hat in früheren Jahren mehrfach betont, dass der Ausbau des Frankfurter Flughafens untrennbar mit der Einhaltung der Empfehlungen des Mediationsverfahrens aus dem Jahr 2000 verbunden sei. Damals waren neben den drei Mediatoren unter anderem das hessische Verkehrsministerium, das Bundesverkehrsministerium, die Lufthansa, die Flughafengesellschaft und die Deutsche Flugsicherung beteiligt. Die wichtigsten Ergebnisse der Mediation zum Lärmschutz waren die Forderung nach einem Nachtflugverbot von 23 bis 5 Uhr sowie nach einem „Anti-Lärm-Pakt“ zur Minderung und Vermeidung von Fluglärm. Entgegen ursprünglichen Zusagen wurden in dem weiterhin beklagten Planfeststellungsbeschluss jedoch Nachtflüge in begrenztem Umfang zugelassen.