Keine Seuchenausbrüche bei Tieren, keine Skandale bei Lebensmitteln in Rheinland-Pfalz, aber immer wieder dreiste Täuschungsversuche zu Lasten der Verbraucher: Diese Bilanz zogen Verbraucherschutzminister Jochen Hartloff und Umweltministerin Ulrike Höfken bei der Vorstellung des Jahresberichts 2010 des Landesuntersuchungsamtes (LUA). Sie kündigten an, bei der Bewältigung neuer verbraucherpolitischer Herausforderungen wie beim Umgang mit Gentechnik und Weichmachern, der Kennzeichnung von Hygiene-Standards in Restaurants oder der Reinhaltung des Trinkwassers vertrauensvoll und interdisziplinär zusammen zu arbeiten. In der EHEC-Krise habe sich gezeigt, dass die Zusammenarbeit der in Rheinland-Pfalz am vorbeugenden Verbraucherschutz beteiligten Behörden und Stellen hervorragend funktioniere.
Lebensmittelüberwachung
„Die Verbraucherinnen und Verbraucher vor gesundheitlichen Risiken und vor Täuschung zu schützen, ist der Landesregierung ein wichtiges Anliegen“, sagte Minister Hartloff. „Die Rheinland-Pfälzer müssen auf die Sicherheit von Lebensmitteln vertrauen können - und dafür brauchen wir eine schlagkräftige amtliche Überwachung.“ Dass sich die verantwortlichen Politiker ebenso wie die Bürger dabei voll auf die Expertise des Landesuntersuchungsamtes verlassen könnten, belege auch der Jahresbericht des LUA für das Jahr 2010. „Dieser Bericht ist ein eindrucksvolles Zeugnis für die gute Qualität der Arbeit, die dort Jahr für Jahr geleistet wird“, so Hartloff.
21.917 Proben Lebensmittel, Bedarfsgegenstände, Arzneimittel, Kosmetik und Wein hat das LUA im Jahr 2010 untersucht und beurteilt. 3.043 (13,9 Prozent) davon wurden beanstandet. Heinrich Koch, stellvertretender Leiter des LUA: „Akut gesundheitsschädlich waren nur 34 Proben – sind gerade mal 0,16 Prozent.“ Zu diesen Proben gehörten unter anderem mit Bakterien belastete Lebensmittel wie Fisch, Wurst, Speiseeis, Gewürze oder Nahrungsergänzungsmittel. Aber auch Fremdkörper in verarbeiteten Lebensmitteln kommen immer wieder vor. So steckten in einer Fertig-Paella Glassplitter, in Gemüse-Nuggets fanden sich scharfkantige PVC-Teile, im Kaffeepulver schwarze Kunststoffsplitter. Besonders gefährlich für Kinder waren riesige Hartzuckerbälle mit Kaugummikern. Koch: „Sie können bei Kindern zu einer Kiefersperre führen oder in die Luftröhre geraten. Das kann lebensgefährlich sein.“
„Sehr besorgniserregend“ findet Verbraucherschutzminister Hartloff auch, dass Substanzen, die in Europa längst verboten sind, über ausländische Waren immer noch in die EU importiert werden und die Gesundheit der Verbraucher gefährden. Das gelte für krebserregende verbotene Substanzen in Hautbleichcremes und für schädliche Appetitzügler in Abnehmpillen ebenso wie für bedenkliche Anti-Schimmelmittel in Schuhen. Hartloff: „Da müssen wir weiter aufmerksam sein.“
Mit Werbeversprechungen von Jugend, Kraft und Vitalität, sollen Nahrungsergänzungsmittel oft unters Volk gebracht werden. Gemeinsame Aktionen des LUA mit der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz in deren 50. Jubiläumsjahr zeigten, dass vor allem ältere Menschen auf Nahrungsergänzungsmittel und ihre oftmals zweifelhaften Wirkungsversprechen vertrauen. „Hier ist die Ernährungsberatung der Bevölkerung durch das Umweltministerium sehr wichtig. Die Expertise der Sachverständigen des Landesuntersuchungsamtes ist eine Grundlage hierfür“, sagte Hartloff.
Der Arbeit im Labor voran gehen die Kontrollen der Betriebe vor Ort. Die Lebensmittelkontrolleure der Kreis- und Stadtverwaltungen und die Weinkontrolleure des LUA haben im Jahr 2010 mehr als 44.000 Kontrollbesuche vorwiegend bei Erzeugern, Verpackern, im Handel und in der Gastronomie gemacht. In 8.200 von über 26.000 kontrollierten Betrieben haben sie dabei insgesamt 13.217 Verstöße festgestellt. Grund waren meist Hygienemängel, unsachgemäßer Umgang mit Lebensmitteln oder fehlerhafte Produktkennzeichnungen. Die amtliche Lebensmittelüberwachung arbeitet dabei „risikoorientiert“ und kontrolliert Betriebe, die sensible Lebensmittel herstellen (z.B. Schlacht- oder Molkereibetriebe) engmaschiger als andere. Minister Hartloff: „Die Lebensmittelkontrolleure und Amtsveterinäre kennen die Betriebe in ihrem Beritt ganz genau. Sie wissen, wo es in der Vergangenheit schon einmal Probleme gab, und steuern diese Betriebe bei ihren Kontrollen dann häufiger an.“
Tierschutz, Tiergesundheit und Tierseuchen
„Die Landesregierung setzt sich für eine tiergerechte Produktion von Lebensmitteln ein“, betonte Ministerin Höfken. Ein großes Stück voran gekommen sei man beim angestrebten Verbot der Käfighaltung von Legehennen: „In Rheinland-Pfalz dürfen die meisten Hennen ihre Eier mittlerweile in Boden- und Freilandhaltung legen, das hat eine Erhebung des LUA gezeigt.“ Gegen die so genannte Kleingruppenhaltung habe man erfolgreich beim Bundesverfassungsgericht geklagt. Der nun von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf zur Neuregelung, der Übergangsfristen bis 2035 vorsehe, sei eine Farce. Höfken: „Am kommenden Freitag im Bundesrat werden wir uns mit aller Kraft für eine deutliche Verkürzung dieser Fristen einsetzen.“
Größere Ausbrüche von gefährlichen Tierseuchen seien 2010 ausgeblieben. Erreger wie die der Klassischen Schweinepest oder der Blauzungenkrankheit, die in den Jahren zuvor immer wieder im Fokus von Behörden und Öffentlichkeit gestanden hatten, spielten 2010 keine Rolle. Die Schweinepest bei Wildschweinen und die Blauzungenkrankheit bei Schafen, Rindern und Ziegen sind durch Impfungen erfolgreich eingedämmt worden.
Für Umweltministerin Höfken aber kein Grund, sich zurückzulehnen. Im Gegenteil: „Auch dann, wenn gefährliche Tierseuchen gerade keine Probleme bereiten, müssen wir sie im Blick behalten.“ Vor allem wenn es sich dabei um sogenannte Zoonosen handelt, also Krankheiten wie Geflügelpest oder Tollwut, die zwischen Tier und Mensch wechselseitig übertragbar sind. Sie werden mit sogenannten Monitoringuntersuchungen überwacht. Diese Reihenuntersuchungen auch an klinisch gesunden Tieren bieten die Gewähr dafür, dass sich vermeintlich getilgte Infektionserkrankungen nicht unerkannt wieder ausbreiten. Höfken: Seuchen sind nicht nur eine Gefahr für Mensch und Tier, sondern können auch zu großen wirtschaftlichen Schäden in den Betrieben führen.“
Wie engmaschig landwirtschaftliche Nutztiere, Heim-, Zoo- und Wildtiere in Rheinland-Pfalz untersucht werden, zeige die eindrucksvolle Zahl von über 300.000 Proben, die 2010 im LUA bearbeitet wurden.
Ein besonderes Augenmerk hat das LUA 2010 auf eine Tierseuche gelenkt, die ab dem Jahr 2011 deutschlandweit staatlich bekämpft wird: die Bovine Virusdiarrhoe (BVD). Durch die Untersuchung aller neugeborenen Kälber sollen diejenigen Tiere identifiziert und aus den Beständen entfernt werden, die das BVD-Virus in sich tragen und im Bestand weiter verbreiten. Jährlich etwa 160.000 zusätzliche Proben durchlaufen dafür künftig die Labors der Tierseu-chendiagnostik.
Für den Fall, dass eine Tierseuche nachgewiesen wird, hält das LUA Strategien zur Tierseuchenbekämpfung bereit. Fachleute haben dazu unmittelbaren Zugriff auf alle relevanten Tier- und Betriebsdaten im Land. So können sie bei einem Seuchenausbruch gezielt z.B. Betriebe sperren oder Tiere impfen lassen. Um auf den Ernstfall optimal vorbereitet zu sein, üben die Veterinärverwaltungen gemeinsam mit Feuerwehr, THW und Polizei die Bekämpfung gefährlicher Seuchen. So auch 2010 bei einer landesweiten Übung zur Bekämpfung der Maul- und Klauenseuche (MKS).
Weinüberwachung
Rheinland-Pfalz ist das größte Weinbau treibende Bundesland in Deutschland. Rund 9.400 Betriebe produzierten im Jahr 2010 etwa 450 Millionen Liter Wein. Für Umwelt- und Weinbau ministerin Höfken haben die Weinsachverständigen des Landesuntersuchungsamtes daher eine besonders wichtige Aufgabe: „Sie helfen nicht nur, die Verbraucher vor Gesundheitsgefahren oder Täuschung zu schützen, sondern tragen auch zu einem lauteren Wettbewerb bei.“
Insgesamt 4.465 Proben Wein hat das LUA 2010 untersucht, 629 davon wurden beanstandet, also etwa jede siebte Probe. Wegen tatsächlicher Weinverfälschung (unzulässige Behandlungsverfahren und/oder Grenzwertverstöße) fielen 151 Proben auf – das sind 3,4 Prozent.
Auch im Jahr 2010 stießen die Weinkontrolleure und Weinchemiker des LUA auf die altbe-kannten Tricks einiger Unbelehrbarer. Höfken: „Einzelne Weinerzeuger im In- und Ausland wollen offenbar nicht wahrhaben, dass die nachträgliche Aromatisierung von Wein mit künstlichen Pfirsicharomen nachgewiesen werden kann.“ Auch der illegale Wasserzusatz, die Beigabe von Rübenzucker oder das Aufpeppen mittelmäßiger Weine mit technischem Glycerin kommen im LUA-Labor ans Tageslicht. „Solche Panschereien ziehen empfindliche Bußgelder oder sogar Strafanzeigen nach sich“, so die Umweltministerin, „das dienst auch dem Schutz der Winzer, die redlich arbeiten.“
Beim Gros der Beanstandungen ging es indes um Unregelmäßigkeiten bei der Kennzeich-nung. Die Palette ist dabei breit und reicht von falschen Angaben des Alkoholgehalts über unzutreffende Rebsortenangaben bis zur nicht eingehaltenen Schriftgröße auf dem Etikett. Vize-Amtsleiter Heinrich Koch: „Die weinrechtlichen Kennzeichnungsvorschriften sind sehr zahlreich und nicht immer leicht verständlich. Nicht alle Verstöße werden vorsätzlich begangen.“
Gelegt haben sich dank konsequenter Kontrolle und Analytik die Wogen um das Antipilzmittel Natamycin in Rotweinen aus Argentinien und Südafrika. Die Weine werden in den Ursprungsländern vor dem Export nun noch gründlicher kontrolliert.
Hintergrund: Das LUA in Kürze
Sichere Lebensmittel, Schutz vor ansteckenden Krankheiten und gesunde Tierbestände: Das ist die Aufgabe der rund 540 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des rheinland-pfälzischen Landesuntersuchungsamtes an den fünf Standorten Koblenz, Landau, Mainz, Speyer und Trier. Hier überwachen und untersuchen vor allem Lebensmittelchemiker, Tierärzte und Ärzte gemeinsam mit ihren technischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Krankheitsursachen bei Mensch und Tier, die Hygiene in medizinischen Einrichtungen, Trink- und Badewasser, Lebensmittel quer durch den Warenkorb, Wein, Bedarfsgegenstände sowie Arzneimittel und Kosmetika. Weitere Infos unter <link http: www.lua.rlp.de>www.lua.rlp.de