An die „braune Vergangenheit“ des Naturschutzes in Deutschland hat Umweltstaatssekretär Thomas Griese bei der Tagung „Lange Schatten? Akteure, Netzwerke und Konzepte bei der Begründung des Naturschutzes in der frühen Bundesrepublik Deutschland“ in Mainz erinnert. „Es ist wichtig, ein Stück mehr über die verhängnisvollen Kontinuitäten vor und nach 1945 im Naturschutz zu lernen. Dies schenkt uns die nötige Distanz und gleichzeitig Sensibilität für die Frage, welche Konzepte, Ideen und Regelungen aus der Zeit des Nationalsozialismus herrühren oder von ihr beeinflusst sind“, so Griese. Aufgabe der heutigen Politik sei es, Rahmenbedingungen zu schaffen, die Grundrechte, Pluralismus, Rechtsstaatlichkeit und Teilhabe stärken sowie ihre Gefährdung sanktionieren. Für den Naturschutz sieht der Staatssekretär eine Aufgabe darin, sich verstärkt mit dem Thema Bürgerbeteiligung auseinanderzusetzen: „Ein gutes Beispiel dafür ist der erste Nationalpark in Rheinland-Pfalz, dessen Planung wir aktuell durch intensive Bürgerdialoge begleiten.“
Haben die Personen und Netzwerke, die vor 1945 den deutschen Naturschutz prägten, ihre Konzepte in die Bundesrepublik Deutschland mitgenommen? Diese Frage stand im Mittelpunkt der Tagung, die von der Universität Stuttgart mit Unterstützung der Johannes Gutenberg-Universität Mainz sowie der Hochschule RheinMain veran-staltet und vom rheinland-pfälzischen Umweltministerium gefördert wurde. Griese wies zum Auftakt auf Kontinuitäten in der Gesetzgebung wie auch bei Funktionären des Naturschutzes hin. So habe das von den Nationalsozialisten 1935 erlassene Reichsnaturschutzgesetz, dessen Präambel den Naturschutz in die nationalsozialistische Ideologie einband, in der Bundesrepublik bis 1976 gegolten. Als Beispiel für Personen, die Gedanken, Ideen und Konzepte aus dem Dritten Reich „hinüber brachten“, nannte er Heinrich Friedrich Wiepking-Jürgensmann, Mitarbeiter Heinrich Himmlers und später Lehrstuhlinhaber an der Universität Hannover, der eine ganze Generation von Naturschützern ausbildete.
Griese ergänzte, dass Kontinuitäten bestimmter Elemente auch in anderen Bereichen nach wie vor zu finden seien, zum Beispiel bei der Flurbereinigung: So können nach dem Flurbereinigungsgesetz von 1976 die Behörden Flurbereinigungen anordnen, wenn sie es für erforderlich halten - ohne die Wünsche der Betroffenen einzuholen. Diese Regelung war nahtlos aus der nationalsozialistischen Gesetzgebung übernommen worden. „In Rheinland-Pfalz haben wir sichergestellt, dass eine Flurbereinigung nicht gegen den Willen der Betroffenen, übrigens auch nicht gegen den Willen der Naturschutzvereine, angeordnet werden darf“, so der Staatssekretär. Er bedankte sich bei den Veranstaltern der Tagung in Mainz, denen es nicht darum gehe, braunen Staub aufzuwirbeln: „Die Frage ist vielmehr, wie wir angesichts der Vergangenheit die Zukunft des Naturschutzes gestalten wollen. Ich bin überzeugt davon, dass diese Diskussion den Naturschutz in Deutschland stärkt.“
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Fachtagung Geschichte Naturschutz